Oslo 2002

Text & Verarbeitung: Tabea

Nach wochenlangem "nur vorm Fernseher" hocken, war es endlich soweit. Am 16. März flog ich mit drei anderen Mädels (Yvi, Anne und Stoffel) von Hamburg nach Oslo. Wir landeten gegen Mittag und tobten dann erst einmal weiter zur Jugendherberge. In unserem Viererzimmer ging’s echt drunter und drüber. Yvi war kein Skisprung-Fan, und die kriegte auch von allen Seite dumme Sprüche an den Kopf. Aber sie wollte ja unbedingt mit...
Am nächsten Morgen standen wir relativ früh auf. Das Springen sollte zwar erst mittags beginnen, aber man kennt das ja von den ganzen Springen in Deutschland, da kann man ja nicht früh genug da sein. Also, frühstücken, die wichtigsten Utensilien einpacken ( Caps, Fahnen, Ratschen,...) und auf zur Straßenbahn. Über Nacht hatte es geschneit. Die Temperaturen gingen aber wieder hoch, und es war so richtiges Matschwetter. Als wir am Hauptbahnhof in die Bahn Richtung Holmenkollen umstiegen, trafen wir schon die ersten Deutschen: ein älteres Ehepar mit Milka- und Warsteiner-Cap. Die Bahnfahrt zum Kollen hoch ist immer wieder ein Erlebnis! Man hat stellenweise einen super Ausblick über den Oslo-Fjord.
Endlich angekommen, mußten wir erst einmal den richtigen Weg zur richtigen Tribüne suchen. Ich wurde immer kribbeliger. Zwar kannte ich die Holmenkollen-Anlage von einem Oslo-Besuch ein Jahr vorher, aber bei einem Wettkampf war ich noch nicht dabei. Nachdem wir unsere Plätze gefunden hatten (ja, da gibt es numerierte Plätze und wir hätten gar nicht so früh da sein müssen), breiteten wir erst einmal unsere Iso-Matten und Sitzkissen aus und versorgten uns mit heißen Getränken. Ich stand also mit Yvi irgendwo bei einem Getränkestand rum, da gingen doch plötzlich einige Springer und Trainer an uns vorbei. Mir viel nur noch die Kinnlade runter. Da war doch gar nix abgesperrt! Wieso rennen die denn alle so einfach durch die Gegend? Als dann auch noch Martin Schmitt und Wolfgang Steiert auftauchten mußte ich unbedingt meine Freundin, die zu Hause geblieben war, anrufen. Tolle Technik, ich sag’s Euch! Die Mädels mit D1- und D2-Handys hatten einen super Empfang, bloß ich mit meinem Quam-Telefon bekam kein Netz! Zum Glück gab’s ja Yvi und ich durfte mit ihrem Handy telefonieren und die aktuellen New konnten doch noch ausgetauscht werden. Hinterher ging’s mir trotzdem nicht besser. Es war ja noch sooo viel Zeit bis zur Quali...
... und wie vertreibt man sich die Zeit bis dahin? Man fängt an, Blödsinn zu machen. Anne, Stoffe und ich packten unsere Fahnen aus und schwenkten sie im Takt der Musik immer brav durch die Gegend und sangen auch noch dazu. Yvi war das ganze ziemlich peinlich, denn so langsam trudelten auch die ersten Norweger ein und beäugten uns mißtrauisch. Aber wir hatten unseren Spaß! Yvi versuchte mit allen Mitteln uns zum Aufhören zu bringen, aber vergebens. Irgendwann meinte sie nur, wir sollten doch mal ganz unauffällig hinter uns zum Trainerturm heraufgucken, dann würden wir sicherlich aufhören, solchen Unsinn zu veranstalten. Also drehten wir uns um, und da oben saßen Hanni uns Steiert, gucken auf uns herab und amüsierten sich köstlich. Die müssen auch gedacht haben: Immer diese verrückten Deutschen! Wir waren ja an unserer Deutschlandfahne und den Milka- und Quam-Mützen recht schnell zu identifizieren. Aber auch das war uns herzlich egal, Hauptsache die Zeit verging und uns wurde nicht kalt.
Aber jede Warterei hat irgendwann ein Ende und pünktlich zum Beginn der Qualifikation konnte man nur noch sagen: Oslo, wieder mal Nebel! Die Quali konnte trotzdem ganz normal durchgeführt werden. Und schon wieder konnte ich es nicht fassen, wie anders doch das Springen in Oslo organisiert war. Die Springer liefen den ganzen Weg vom Auslauf bis zum Anlaufturm zu Fuß hoch, was sich ja nicht so aufregend anhört, wenn sie nicht direkt durch die Zuschauer die Treppe hinauf gelaufen wären. Es dauerte allerdings eine Weile, bis wir kapiert hatten, daß wir uns ja direkt neben die Treppe stellen konnten, um bessere Fotos zu machen. Warum hat man eigentlich immer in solchen Situationen eine so lange Leitung?
Nach der Qualifikation fand noch ein Frauen-Springen statt. Der Nebel am Kollen wurde dichter und nach dem ersten Durchgang des Frauenspringens gab es eine längere Pause. Jetzt hatten wir aber wirklich Angst, daß der Wettkampf abgesagt werden könnte. Wir konnten von unseren Plätzen - so ca. an der 80 m-Marke - nämlich den Auslauf nicht mehr sehen! Das war echt heftig! Ich als Hamburgerin bin ja einiges gewöhnt, aber sowas!
Zum Glück ging dann ja auch alles planmäßig weiter, wenn auch etwas zeitverzögert.
Ich glaube, wir waren so ziemlich die einzigen, die jeden Springer anfeuerten. Die Norweger haben echt die Ruhe weg. Für sie ist das wirklich eher wie ein Familienfest. Da wurden erst einmal die Picknickkörbe ausgepackt und gegessen. Nur wenn mal ein norwegischer Springer auf dem Bakken war wurden sie etwas lauter.
Gegen Ende es zweiten Durchgangs wuchs bei uns die Spannung noch mal so richtig. Immerhin lag Hanni ja auf dem dritten Platz hinter Adam Malysz und Simon Ammann. Und von uns mit einem lauten "Ziiiiiiieh" begleitet gelang ihm mal wieder ein super Sprung! Malysz sprang kürzer, und so war Hanni der zweite Platz sicher. An Simon Ammann konnte er allerdings nicht mehr vorbeiziehen, denn der bestätigte mit seinem zweiten Sprung seine tolle Leistung aus dem ersten Durchgang. Ein älteres Paar aus Norwegen, das vor uns saß und uns die ganze Zeit beobachtet hatte, fragte nur noch: "Und, ist schlimm, daß er nicht gewonnen hat?" Aber für uns war der Tag gerettet, und Simon Ammann hatte nun einmal ganz zu Recht gewonnen. Martin Schmitt wurde übrigens siebter.
Schon während der Siegerehrung - von der wir wegen des Nebels auch nicht viel mitbekamen - fingen die Einheimischen an, ihre Sachen einzupacken und zu gehen. Wir versuchten unterdessen noch Fotos von den Springern zu machen und holten uns auch von einigen Autogramme. Besonders nett waren übrigens Duffi, Michi Uhrmann und Risto Jussilainen. Über Stephan Hocke lasse ich mich hier lieber nicht aus...
Das einzig Negative an diesem Tag war eigentlich Martin Schmitt. Und das nicht, weil er "bloß" siebter geworden war. Lange nach dem Springen ging er mit Wolfgang Steiert an uns vorbei, und ich fragte ihn, ob er uns vielleicht ein Autogramm geben würde. Ich war wirklich ganz höflich, und es wollten auch nur ganze drei Leute ein Autogramm von ihm haben. Wolfgang Steiert blieb sogar schon stehen, da kam von Martin nur ein sehr, sehr unfreundliches "NEIN", und er ging weiter. Ich hab absolut keine Probleme damit, wenn die Springer keine Autogramme geben, aber man kann das auch in einem netteren Ton sagen.
Am Abend killten wir in der Jugendherberge noch eine Flasche Wein und lästerten über Martin. Manchmal muß so etwas eben sein.
Tja, und damit war unser Oslo-Trip auch schon fast vorbei. Aber nur fast.
Am nächsten Morgen hatten wir leider nicht mehr so viel Zeit und fuhren so ziemlich direkt zum Flughafen. Da die Maschine über Hamburg ausgebucht war, mußten wir über Frankfurt zurückfliegen. Und siehe da, wer flog auf dem gleichen Flieger? Stephan Hocke, Jörg Ritzerfeld, Reinhard Heß, Henry Glass und Peter Lange. Yvi und ich hatten das Glück (oder auch nicht?!?!?), daß Hocke und Ritze auch noch in der Reihe vor uns saßen. Leider bekam Hocke mit, daß wir zum Skispringen nach Oslo geflogen sind und brachte einige ziemlich dumme Sprüche. Irgendwann platze mir der Kragen und ich meinte nur noch spontan: "Kleiner, noch einen Ton und ich zieh dich über’n Sitz!" Und siehe da, von ihm war nichts mehr zu hören.
O.k., in Frankfurt im Bus vom Flieger zum Terminal meiner er nur noch zu Ritze: "Ich bin ja Olympia-Sieger, ich brauch ja niemandem mehr was zu beweisen." Wenn er meint...
Wir vier Mädels kamen auf jeden Fall wieder heil in Hamburg an und es war im großen und ganzen ein wirklich tolles Wochenende. Eins weiß ich auf jeden
Fall: Nächstes Jahr bin ich wieder mit dabei! Die Planung läuft schon...

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